Ein seltenes technikgeschichtliches Ereignis: Schaupressen auf einer 400 Jahre alten Baumpresse – Kelterbaum oder Torkel - in Metzingen-Neuhausen
Junge Menschen beleben ein historisches Denkmal
Am Sonntag, dem 21. September 2025 um 13 Uhr findet in der Mittleren Kelter in Metzingen-Neuhausen ein äußerst seltenes Ereignis statt: In der Mittleren Kelter wird zu sehen sein, wie die Trauben viele Jahrhunderte lang auf einer Baumpresse, dem so genannten Kelterbaum, gepresst wurden. Der aus sechs mächtigen Eichen bestehende Kelterbaum wurde vor dem Dreißigjährigen Krieg in eine Kelter in Neuhausen an der Erms, heute Stadtteil von Metzingen, eingebaut. Mit Sicherheit wurde er ein Mal versetzt und ist in der Mittleren Kelter erhalten geblieben. Es ist die einzige erhaltene von einst sieben großen Baumpressen, die in den drei Keltern des Ortes standen. Über Jahrhunderte hinweg presste man hier nach der Weinlese die Trauben, bis man dann nach dem Zweiten Weltkrieg die Kelterbäume stilllegte und sechs dieser hölzernen Pressen abbrach, da man nun hydraulische Pressen nutzte.
Es dürfte in der Bundesrepublik Deutschland einmalig sein, dass eine über 400 Jahre alte Baumpresse noch funktioniert und nach 15 Jahren wieder einmal in Betrieb genommen wird. Ein Kelterbaum blieb erhalten, nur der Presstisch aus Holz – das sogenannte Biet – wurde abgebaut und durch ein Biet aus Beton ersetzt. Der Kelternverein Neuhausen e.V. hat sich die Aufgabe gestellt, sowohl die Keltern als auch diese Baumpresse zu erhalten. Mehr noch: Von Zeit zu Zeit soll sie wieder in Betrieb genommen werden. Mit großem ehrenamtlichem Engagement arbeiten Frauen und Männer des etwa 200 Mitglieder starken Vereins an diesem Ziel. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens wird nun am 21. September der Kelterbaum in einer öffentlichen Vorführung in Betrieb gesetzt. Und das nicht etwa von älteren Männern, sondern von der jungen Generation.
Höchstwahrscheinlich ist der Kelterbaum in Metzingen-Neuhausen die älteste und größte hölzerne Baumpresse in Deutschland, welche noch funktioniert und öffentlich in Betrieb genommen wird. In Weinfelden in der Schweiz steht ein aus vier Eichen bestehender Torkel aus dem Jahr 1584, der ebenfalls noch funktioniert und auf dem vor einigen Jahren wieder einmal gepresst wurde. Ebenfalls in der Schweiz findet man in Berneck bei St. Gallen einen funktionsfähigen Torkel aus dem Jahr 1682. Was Frankreich anbetrifft, so wurde ein Torkel der Herzöge von Burgund mit vier Eichenbalken in Chenôve bei Dijon in den Jahren 1987 bis 2019 in Betrieb genommen. Dann gestattete es der Eigentümer nicht mehr. Zwar sind noch in manchen Weinbaumuseen hölzerne Baumpressen zu sehen, etwa im Weinbaumuseum Metzingen der Kelterbaum von 1655, in Untertürkheim oder in Nonnenhorn. Aber diese Torkel sind nicht mehr funktionsfähig, sondern können nur noch als Exponate besichtigt werden.
Junge Menschen beleben ein technisches Denkmal
Dem Verein ist es gelungen, eine Gruppe von jungen Leuten zu gewinnen, die von der alten Technik des Traubenpressens fasziniert sind. Sie werden den Kelterbaum vorführen. Vorsitzender Wolfgang Fritz ist sehr stolz auf diese jungen Vereinsmitglieder: „Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Erhaltung und den Betrieb des Kelterbaums an die junge Generation weiterzugeben. Ich freue mich außerordentlich, dass uns das gelungen ist und wir damit diese jahrhundertealte Tradition lebendig werden lassen.“.
So bietet sich in Neuhausen am 21. September die einmalige Gelegenheit, den Kelterbaum oder Torkel im Betrieb zu sehen!
Notwendige Vorarbeiten
Damit das Historische Pressen überhaupt stattfinden kann, musste im Vorfeld die Mutter des Kelterbaumes neu hergestellt werden, die alte Mutter war durch Verschleiß und Holzschäden leider nicht mehr tragfähig.
Mit Hilfe von örtlichen Handwerkern (Zimmerei Bärmann und Modellbau Trost) wurde die Geometrie des Gewindes mit einem Scanner erfasst und die Mutter aus 2 Eiche Halbschalen im Fräsverfahren neu hergestellt, so wurde historische Handwerkskunst durch Hightech nachgeahmt.